WERNERS BLOG

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  Zeichnung: Wilhelm Busch


Donnerstag,
27. Juni 2019
Zum neulich schon erwähnten USA-Iran-Konflikt hat der Postillon (eine empfehlenswerte Online-Zeitschrift aus der Schweiz, die zu allen Lebenslagen überraschenden Rat weiß) eine aufschlussreiche Hintergrundinformation veröffentlicht. Bezug nehmend auf den Streit, ob die abgeschossene US-Drohne sich innerhalb oder außerhalb iranischer Hoheitsgewässer befunden hatte, heißt es da: USA schlagen Alarm: "Iran bewegt sein Land immer näher an unsere Truppen heran!"

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Mittwoch,
26. Juni 2019
Der unten () beschriebene Geisteszustand greift auch bei heimischen Politikern um sich. Der Europäische Gerichtshof hat die von Verkehrsminister Andreas Scheuer geplante und vorangetriebene PKW-Maut (die nur ausländische Autofahrer belastet hätte) gekippt. Diese sei diskriminierend und verstoße gegen europäisches Recht, so der EuGH. Nun sitzt man auf mehr als 50 Millionen Euro Kosten und vermutlich noch weit höheren Schadenersatzforderungen der schon mit der Umsetzung beauftragten Firmen. Scheuer (ich verkneife mir simple Wortspiele mit seinem Namen) hatte Verträge abgeschlossen, obwohl das Gerichtsverfahren noch anhängig war. Heute musste er sich im Verkehrsausschuss des Bundestages rechtfertigen. Und was hören wir? Er, Scheuer, habe nie vernommen, dass Politik auf Gerichtsurteile bis zum Schluss warten müsse. Da könne man den Politikbetrieb gleich einstellen ( siehe Meldung im DLF).

Genau! Wo kämen wir hin, wenn Politiker immer bei allem, was sie sich in ihrer Weisheit einfallen lassen, auf das Recht Rücksicht nehmen würden.

Wobei: Politikbetrieb einstellen (wenigstens von Seiten bestimmter CSU-Politiker) wäre vielleicht auch eine Option.

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Dienstag,
25. Juni 2019
Wenig Erfreuliches hört man derzeit über das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran. Die Säbel rasseln und das lässt nichts Gutes erwarten. Trump hat neue Sanktionen verhängt. Umso erstaunlicher ist es, wenn wenigstens eine Seite ein Zeichen des Durchblicks gibt: In den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk höre ich heute, dass man im Iran den Zustand des Weißen Hauses klar erkannt hat: die Führung in Washington, heißt es, sei geistig zurückgeblieben.

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Donnerstag,
20. Juni 2019
Da ich keinen Fernseher habe, dauert es manchmal etwas länger, bis Nachrichten zu mir gelangen (viele erreichen mich auch gar nicht, und das ist wahrscheinlich gut so). Ich spreche von einer Reaktion von Annegret Kramp-Karrenbauer auf das Rezo-Video. Sie sagte schon Ende Mai: Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab (siehe z.B. Abendzeitung München)

Jetzt sehen wir einmal davon ab, dass es zehn und nicht sieben Plagen waren, die über Ägypten kamen ( 2. Buch Mose, Kapitel 7 bis 12), so bibelfest muss selbst eine CDU-Vorsitzende heute nicht mehr sein, und außerdem wurde im Netz offenbar schon ausreichend darüber gelästert. Nein, warum ich die Sache kommentiere, ist folgende Überlegung: die Plagen kamen über Ägypten, weil, wie es in der Bibel heißt, das Herz des Pharao verstockt war (im Übrigen auf Veranlassung Gottes, damit der sein Exempel statuieren konnte! 2 Mose 7).

Die Plagen waren somit eine Reaktion auf das sture Verhalten des Machthabers. Nun ist auch das Video von Rezo (ebenso wie die Fridays-for-Future-Manifestationen) gewissermaßen eine Reaktion auf uneinsichtiges Regierungshandeln (bzw. Nicht-Handeln) unserer machthabenden Politiker. Bedauerlicherweise stehen dem Volk nicht die Mittel zur Verfügung, zehn (oder wenigstens sieben) Plagen über die Kaste der Herrschenden aus Politik und Wirtschaft zu verhängen, und so gesehen sind YouTube-Videos und Freitagsdemos doch ein äußerst zivilisiertes Mittel der Meinungsäußerung (nicht Meinungsmache, Frau AKK!, siehe ).

Die CDU hat die ägyptischen Plagen nicht (direkt) zu verantworten, sie und andere Verantwortliche, die unverantwortlich handeln bzw. nicht handeln, sollten sich aber vorsehen, damit sie nicht eines Tage von Ereignissen heimgesucht werden, die für sie ähnlich katastrophal sein könnten. Die Große Finsternis (9. Plage) ist immerhin schon über sie gekommen, in Form der Europawahl-Ergebnisse.

Übrigens: am Ende, nach der zehnten (!) Plage, muss der Pharao klein beigeben. Moses und das Volk der Israeliten haben über ihn gesiegt.



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Montag,
10. Juni 2019
Die alten Tagebücher (42)

19. August 1980
(...)

Artikel in Le Monde über Okzitanien reizt mich zum Schreiben. Da streitet einer die Eigenständigkeit dieser Region ab, was kann ich außer meinem Gefühl dagegensetzen? Dieser verfluchte französische Zentralismus, der seit dem Mittelalter versucht die Randvölker Frankreichs einzufangen, er ist eine Geisteshaltung der "Restfranzosen", derer, die in der Mitte leben, die "französisch" sprechen, zentralistisch und nationalstaatlich denken. Frankreich hat in seinen Grenzen eine ganze Reihe unfranzösischer Völker, inzwischen zwar mehr oder weniger französisiert, aber was heißt das schon? Nach langen Unterdrückungsperioden gibt es wieder relative Freiheit, was Sprache und Kultur betrifft, aber das nationalstaatliche Denken vor allem des neunzehnten Jahrhunderts ist überall zu tief verwurzelt um ernsthafte Versuche der Eigenständigkeit zu erlauben. "Separatisten", Autonomisten", ja sogar "Terroristen" – das alles bringt nichts. Die gesamte politische, wirtschaftliche und vor allem psychologische Situation ist nicht nach Loslösung von La France. An den Rändern des Sechsecks, das Frankreich auf der Landkarte bildet, finden sich die Fremden, wohl eingegliedert seit langer Zeit, und dennoch ihren eigenen Charakter bewahrend. – In den Dörfern spricht man untereinander immer noch die Sprache der Vorfahren, das Nicht-französische, das Eigene. Paris ist weit, weit von Quibéron, weit von Bayonne, von Aix en Provence und Nizza, weit von Mülhausen, Haguenau und Straßburg.

In all diesen Orten spricht man anders als in Paris, als in "Frankreich". Noch, vielleicht, denn man vermischt sich, die Vermischung läuft allerdings einseitig, der "Franzose" liebt seine Randvölker, die Exoten innerhalb der eigenen Grenzen, und unter ihnen besonders die des Südens. Der Midi ist der bevorzugte Ferienaufenthalt des Nordfranzosen. Le soleil, wir Deutschen als Nordländer kennen diesen magischen Zug zur südlichen Sonne.

Die Bretonen, die Basken, die Katalanen, die Provençalen, die Elsässer, wie fühlen sie sich? Als Franzosen? Als von Frankreich Kolonisierte? Halb und halb? Manche so, manche so?

Als Deutscher kann ich diese Situation nur schwer nachvollziehen. Zwar bin ich Bayer, aber wenn ich anfange, mir darüber Gedanken zu machen, heute, 1980, kommt mir außer Strauß nichts in den Sinn. Bayern als "Staat" anzutasten hat nicht einmal nach 1945 die Besatzungsmacht gewagt. Zumal die Amerikaner in diesem Teil Deutschlands die Besatzer waren. München, mit Hofbräuhaus und Schloss Nymphenburg, Ludwig der Zweite mit Neuschwanstein und Linderhof, das war genug an unangreifbarer Historie, trotz Feldherrnhalle und Hauptstadt der Bewegung, trotz Reichsparteitagsgelände (dafür die Nürnberger Prozesse) und Obersalzberg (dafür die American forces facilities).

Bayern als einer der Kerne Deutschlands blieb bestehen, der "Freistaat", das uralte Gebiet eines Stammes des Volkes der Germanen.

Deutschland war nie in der Verlegenheit Frankreichs, Völker unterschiedlicher Sprache und Kultur unter seine Oberhoheit bringen zu müssen oder zu wollen )108. Das Gegenteil war stets der Fall: Die Deutschen hatten stets den Drang nach außen, die deutschen Grenzen waren immer zu eng: Man spricht deutsch in: Frankreich (Elsass), Belgien, Holland, Luxemburg, Dänemark, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Österreich, Italien (Südtirol), der Schweiz. Sämtliche Nachbarländer Deutschlands und noch einige mehr, z.B. Rumänien (die Siebenbürger Sachsen) beherbergen Deutsche.

Was heißt das alles? Europas Geschichte ist zweifellos kompliziert.

  Und weil die ersten Sätze des Eintrags vom folgenden Tag (20. August 1980) direkt darauf antworten, müssen auch sie hier erscheinen:
Wie der gestrige Eintrag zeigt, bleibe ich immer bei Einleitungen stehen. "Was heißt das alles?", und statt "Europas Geschichte ist zweifellos kompliziert", müsste es eben weitergehen, eher noch eigentlich anfangen. Aber was anfangen? Da hängst's.

(...)
  108 Angesichts der deutschen Vergangenheit als Kolonialmacht und vor allem des Expansionsdrangs der Nazis ist diese Behauptung einfach falsch (zumindest extrem missverständlich). Gemeint war das Integrieren fremdsprachiger Ethnien innerhalb historisch gewachsener Grenzen. Mit "die Deutschen" im folgenden Satz sind auch die Siedlungsbewegungen der Menschen gemeint (vor allem früherer Jahrhunderte seit dem Mittelalter), nicht staatliche Expansions- oder Annexionsbestrebungen. (Die Geschichte ist zweifellos kompliziert.)
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Donnerstag,
6. Juni 2019
Seit elf Jahren lebe ich in einer Gemeinschaft. Nicht immer in Friede-Freude-Eierkuchen, denn Zusammenleben bedeutet immer auch eine Herausforderung. Ein paar schöne (und wie ich finde, sehr zutreffende) Sätze zu diesem Thema habe ich heute in der anthroposophischen Zeitschrift Das Goetheanum gefunden:


Eine Lebensgemeinschaft aufbauen bedeutet sich seiner Grenzen als soziales Wesen bewusst werden: Werden meine asozialen Bedürfnisse berücksichtigt, dann kann die Gemeinschaft gedeihen. Sie allein auf meinen Sympathien für die anderen aufzubauen reicht nicht, sie muss etwas Höherem folgen. So sind Lebensgemeinschaften ein ständiger Versuch, gemeinsam einen Sinn für das Leben zu finden.


Leben in Gemeinschaften
      Leben in Gemeinschaften
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Mittwoch,
5. Juni 2019
Noch'n Gedicht: Heute vor vierzig Jahren starb Heinz Erhardt. Muss man ihn vorstellen?

Wenn, dann am besten mit einem seiner Gedichte:


Kinder


Kinder haben es so leicht,
haben keine Sorgen,
denken nur, was mach ich jetzt,
nicht, was mach ich morgen ...

Kinder haben es so schwer,
dürfen niemals mäkeln
und sich wie der Herr Papa
auf dem Sofa räkeln ...

Kinder haben es so leicht,
dürfen immer spielen,
essen, wenn sie hungrig sind,
weinen, wenn sie fielen ...

Kinder haben es so schwer,
müssen so viel lernen und,
wenn was im Fernsehn kommt,
sich sofort entfernen ...

Kinder haben es so leicht,
naschen aus der Tüte,
glauben an den lieben Gott
und an dessen Güte ...

Kinder haben es so schwer,
müssen Händchen geben –
und auf dieser blöden Welt
noch so lange leben ...



  Quelle: https://heinz-erhardt.hpage.com/heinz-erhardt-sprueche.html    
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Dienstag,
4. Juni 2019
Immer wieder zieht Donald Trump das Interesse von Psychologen auf sich. Zur Zeit hält er sich in London auf, es gibt zahlreiche und lautstarke Proteste gegen seinen Besuch. Sein Kommentar: Alles Fake News. Viele Menschen würden auf den Straßen jubeln, es gäbe nur vereinzelt Demonstrationen ( DLF-Nachrichten von heute).

Ich erlaube mir dazu ein Gedicht von Christian Morgenstern zu zitieren:


Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.

‚Wie war‘ (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
‚möglich, wie dies Unglück, ja –:
daß es überhaupt geschah?

‚Ist die Staatskunst anzuklagen
in Bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

‚Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, – kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht –?‘

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im Klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.




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Freitag,
31. Mai 2019
An der Schwelle zwischen Frühling und Sommer ein Rundgang durch den blühenden Garten in der Kratzbürste.



 
Erdbeeren Flockenblume Schwarzwurzel Mauerpfeffer
   
 
Hasenglöckchen Zierlauch Feldsalat Schnittlauch
   
 
Vergissmeinnicht Frauenmantel Meerrettich Akelei
   
 
Lichtnelken Pfingstrosen
   
 
Dicke Bohnen Silberblatt Goldlack Nelken
   
 
Phacelia Sternmiere Geißblatt an der Fassade – Die Glyzinie muss sich erst wieder erholen
   
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Dienstag,
28. Mai 2019
Noch ein Nachschlag zur Europawahl:

Man muss nicht gleich von Schicksalswahl reden, wie zu hören war, aber interessant war diese Wahl zum europäischen Parlament 2019 doch. Die Wahlbeteiligung lag europaweit bei 51 Prozent, in Deutschland bei 61 Prozent, einzelne Länder haben es auf 90 (Belgien) oder 84 Prozent (Luxemburg) gebracht. Die wenigsten Wähler verzeichnete Slowenien mit 22 Prozent, das liegt noch weit hinter den Briten (37 Prozent), von denen man es nicht anders erwartet hat. (Quelle: Wikipedia)

Die großen Parteien (die sich immer noch Volksparteien nennen) haben krachend verloren, und interessant sind ihre Kommentare nach der Wahl: man habe ein "Kommunikationsdefizit", müsse "die Kommunikation verbessern", man habe "als Marke überhaupt nicht überzeugen können ( Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär), die CDU habe "kommunikativ schon bessere Tage erlebt" ( Philipp Amthor, CDU-MdB) und "die Partei habe es nicht geschafft, ihre Kernthemen in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stellen", meint Annegret Kramp-Karrenbauer, deren unsägliche Äußerungen über das Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo (s.u.) für erheblichen Wirbel gesorgt haben. Alles sei "ein Wahrnehmungsproblem". Und bei der SPD fehle es "an Durchlässigkeit und an gezielter Förderung von politischen Talenten", so der hessische Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel. Sehr richtig konstatiert immerhin Kevin Kühnert, der Juso-Vorsitzende, dass die SPD "den Anschluss an weite Teile der Bevölkerung zu verlieren" drohe.

Man kann sich eigentlich nur noch an den Kopf fassen.

Zu Rezo und seinem Video: Kramp-Karrenbauer hat allen Ernstes Überlegungen angestellt, ob man vor Wahlen die "Meinungsmache" (AKK) im Netz regulieren solle. Nun, der Aufstand ist prompt erfolgt, darum an dieser Stelle kein weiterer Kommentar von mir. Aber ich habe mir das Video angeschaut, und ich will das auch jedem empfehlen. Nehmt euch die Stunde Zeit (ich habe es um Mitternacht getan), es lohnt sich. Rezo, ein hochpolitischer Mensch, spricht nicht nur inhaltlich äußerst fundiert, sondern er schafft auch eine Form, die ich als Kunst empfinde.

Hier der Link zum Video

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Freitag,
24. Mai 2019
Was höre ich heute in den Nachrichten?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt Verständnis für die Fridays-for-Future-Proteste und kritisiert die Bundesregierung. "Gut, dass junge Leute Druck machen", sagte er. Das sei ein Mut machendes Zeichen und könne für Bewegung sorgen.

Ach! Da müssen die Politiker nur alt genug werden und sich aus der aktiven Politik (wo sie etwas hätten bewegen können) verabschieden, und schon hören sie den Menschen im Land zu.

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Mittwoch,
22. Mai 2019
Kaum sind die Bienen knapp dem Hungertod entkommen ( s.u.), schon denken sie wieder nur an das Eine:



 
Schwarm am Hollerbusch Fanggerät Papierkorb Noch viel Gesumm um den Hollerbusch Bienen sammeln sich auch auf der Außenseite
Schwarm am Hollerbusch – gut erreichbar Ein praktisches Schwarmfanggerät: der Drahtpapierkorb von IKEA Immer wieder fliegen Bienen zum Hollerbusch zurück, aber da offenbar die Königin im Korb ist, sammeln sie sich letztlich dort. Ungünstig ist, dass sich auch viele Bienen auf der Außenseite sammeln, Wie kriegt man sie rein?
   
 
Geht's damit? Ja, aber sie bleiben nicht drin Einquartierung in einem leeren Bienenkasten "Sterzelnde Bienen"
Vielleicht damit? Im Prinzip ja, aber es bleiben immer nur wenige der geschöpften Bienen im Korb Also in einen leeren Bienenkasten (auch wenn das wegen der Größe etwas umständlich ist, man kann sie leider nicht an Ort und Stelle stehen lassen) Hier sieht man "sterzelnde" Bienen: sie fächeln den noch frei herumfliegenden Bienen des Schwarms Duftstoffe zu, um zu signalisieren: hier geht's rein, hier ist unsere Königin.
  Der Kasten mit dem Schwarm muss über Nacht in den Keller
      Und ab mit euch in den Keller bis morgen! Erst am nächsten Tag kann man einen Schwarm an den Bienenstand zurückbringen.
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Montag,
20. Mai 2019
Schande über mich! Ich habe eines meiner (vier) Bienenvölker verhungern lassen. Als ich vorgestern den Futtervorrat überprüfen wollte, fand ich in einer der Beuten nur einen großen Haufen toter Bienen. Zuerst dachte ich, sie seien vielleicht an irgendeinem Gift gestorben (was weiß man denn, was so alles in der Umwelt unterwegs ist). Ein Anruf bei der Imkervereinsvorsitzenden hat mich dann aufgeklärt (danke, Frau Pfefferle): die Tatsache, dass die Bienen in den Zellen mit dem Kopf voraus gesteckt sind, zeigt, dass sie versucht haben, die letzten Reste aus den Zellen rauszusaugen. In der Position sind sie gestorben. Das geht mir nahe. Die anderen drei Völker habe ich natürlich sofort notgefüttert.

Ich hatte die Situation falsch eingeschätzt: zwar war mir klar, dass sie bisher wenig eintragen konnten (die Obstblüte war bei uns sehr kurz und verregnet – es wird wenig Obst geben in diesem Herbst), aber ich dachte, auf den Wiesen blüht doch eine ganze Menge. Die Kälte hat aber offenbar verhindert, dass Nektar gebildet wird, und so gab es nichts für die Bienen.



 
Tote Bienen im Kasten Verhungerte Bienen in den Zellen
Tote Bienen im Kasten Verhungerte Bienen in den Zellen
   
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Sonntag,
19. Mai 2019
Die alten Tagebücher (41)

18. August 1980

In Bardou, von der Zukunft träumend

Nicht selten, dass ich, abends, alleine, den Kopf plötzlich von meinem Buch oder vom Essen hebe, das Tal hinausschaue oder zum Himmel hinauf, und mir denke: Wie geht's mir doch gut!

Diese Momente kommen wieder öfter, da steht das Glas Wein neben mir, ein später kleiner Nachtisch aus Salami und Knoblauch, der Wind in den Kastanien, der Mond hinter kleinen Wölkchen, Zikaden und Grillen, Jörg spielt entfernt Gitarre.

Leute sind dabei unwichtig, jedenfalls für mich zur Zeit. C. ist nicht da, also genüge ich mir selbst. Eigentlich ist das das Leben. Nichts darüber hinaus ist nötig, jedenfalls für den Augenblick.

Mich ermutigen diese Gedanken und Empfindungen, zeigen sie mir doch, dass ich es langsam wieder lerne, in der Gegenwart zu leben.

Freue mich immer, wenn ich Gemüse, Obst aus der Gegend esse, in der ich lebe. Auch das ist ein Beitrag zum Hier- und Jetzt-Leben. Teil der umgebenden Natur werden. Dazu Kleinigkeiten: Lavendelblüten aus meinem Garten zum Tee, Pimpernelle in den Essig, Quendel und "meine" Petersilie ins Essen. Der Wein ist von den benachbarten Berghängen, das Wasser aus der Quelle, die nur ein paar Schritte von meinem Haus entfernt entspringt.

Ich würde das gerne weiter treiben: Speck von den eigenen Schweinen, Eier von den eigenen Hühnern, Brot aus dem eigenen Getreide (da kommen schon die ersten Schwierigkeiten – eigenes Getreide??). Gemüse und Salat aus dem eigenen Garten ist ja schon selbstverständlich, wenn's auch heuer bloß Salat ist, und ein paar Radieschen ab und zu. Ich halte dieses Eins-Werden mit der Umgebung für enorm wichtig. Möchte manchmal ein Baum sein, mich fest mit der Erde, die ich liebe, verwurzeln.

Lese zur Zeit französisch, zwar "nur" Agatha Christie, aber es ist eine gute Übung für mich. Wieder ein Beitrag zum Hier-Sein. (Rendez-vous avec la mort, Appointment with death)

(...)
Aus diesen Tagen stammen auch zwei kleine Federzeichnungen, die Motive aus Bardou darstellen.

 
Eingang zu einer Ruine Blick zum Roc des Pièges
Eingang zu einer der damals noch zahlreichen Ruinen in Bardou, das Innere voller Wildwuchs. Blick über die Dächer zu einem markanten Felsen (Roc des Pièges), damals mit einem Baum auf der Spitze.
   
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Sonntag,
12. Mai 2019
In Südfrankreich (wie auch in anderen Weltgegenden) gab es früher die Sitte der Transhumance. Das war die Wanderung mit großen Schafherden zu den Sommerweiden. Auch in Bardou gab es mehrere Jahre eine solche Wanderung, die Entfernung vom Dorf zu den Weideflächen betrug ca. 30 km, die Herde umfasste etwa 200 Tiere.

Heute fand eine ähnliche Veranstaltung (um Geringes kleiner) in der Kratzbürste statt: Die Schafe wurden auf die Weide auf der anderen Seite der Straße getrieben.



107 Die Bilder stammen aus dem Buch Bardou – Ein Pionierleben im Haut Languedoc. Gelebt und erzählt von Klaus Erhardt, aufgeschrieben von Werner Friedl
Anabas-Verlag, Frankfurt am Main 2005
 
Bardou: Rückkehr von der Sommerweide im August 1984 Bardou: August 1986 Schafauftrieb die Untere Gasse hinauf Auf der neuen Weide
Bardou: Rückkehr von der Sommerweide im August 1984 ... 107 ... und im August 1986 107 Mai 2019:
Schafauftrieb die Untere Gasse hinauf ...
... bis auf die neue Weide. Es müssen nur genügend Menschen dabei sein, dann geht alles ohne Probleme
   
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Mittwoch,
8. Mai 2019
Unverhofft flattert mir eine Wilhelm-Busch-Gesamtausgabe aus den Fünfzigerjahren ins Haus. Aber nicht vom Inhalt derselben will ich berichten, sondern von einem eingelegten Werbezettel des (längst nicht mehr existenten) Fackel-Verlags, der seinen Lesern praktischerweise auch gleich Möbel zur Unterbringung der Bücher anbot. Die Kapazität war allerdings nicht üppig, wie man aus der Abbildung ersehen kann. Wäsche und Geschirr sollten auch noch im Bücherboy Platz finden. Der/die durchschnittliche Deutsche las offenbar nicht so viel. Irgendwie rührend (wie manches aus den Fünfzigern).



Wilhelm Busch
 
Der Bücherboy Zufriedengestellte Kunden
Der Bücherboy, "ideal für die griffbereite Handbibliothek" Zuschriften "zufriedengestellter Kunden" erreichen den Verlag "aus allen Teilen Deutschlands"
   
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Dienstag,
7. Mai 2019
Einen weiteren (viertägigen) Besuch im UHZ (Universitätsherzzentrum) Bad Krozingen absolviert, wieder mit dankbaren Gefühlen den Ärzten/Ärztinnen, Pflegern und Krankenschwestern gegenüber.

Mir wird bewusst, dass ich seit einiger Zeit in eine quasi künstliche Lebensphase eingetreten bin, das heißt, ich halte mich hauptsächlich durch die Errungenschaften der modernen Medizin am Leben. Ärztliche Kunst und Medikamente begleiten (nicht: bestimmen!) das Leben. Das fing mit etwa 50 schleichend an (damals noch fast ausschließlich mit "sanften" Heilmitteln), hat dann unauffällig zugenommen und nun eine nicht mehr wegzuredende Deutlichkeit erreicht.

Unser Leben währet siebzig Jahre, sagt der Psalm106. In den alten Zeiten wäre ich vermutlich schon tot. Ich bin aber am Leben, und dass ich es hier an diesem besonderen Ort Kratzbürste sein kann, ist ebenfalls ein Grund zu großer Dankbarkeit.



106 Psalm 90,10:
Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.
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Mittwoch,
1. Mai 2019
Gestern, bei der Durchsicht der Bienenvölker, was sehe ich?



 
Anfänge eines Wespennests am Bienenkasten Wespenkönigin beim Nestbau
Unter der Blechabdeckung hat eine
Wespenkönigin begonnen, ihr Nest zu bauen.
Die ersten Zellen sind gut zu erkennen
   
 

Tollkühn oder schusslig? Wespen sind zwar stark an den Erträgen des Bienenfleißes interessiert, werden aber eigentlich von den Bienen nicht geduldet. Die haben's wohl noch gar nicht mitgekriegt.

Blechdeckel drüber und abwarten, wie's weitergeht.
   
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Dienstag,
30. April 2019
Die alten Tagebücher (40)

13. August 1980

Jetzt allein in Bardou, C. ist abgefahren

"Die Taxifahrerin" von V. Thérame beendet.

Verflucht, wann fange ich endlich an zu lernen, wie man Bücher schreibt? Es gibt so viele, die es gut können, die schlechten interessieren mich nicht. Wenn ich dabei wenigstens wüsste, was es ist, worauf ich warte, es ist alles so schwer greifbar, eine fürchterliche nebelhafte Unordnung.

In so manchen Dingen habe ich schon gelernt, Ordnung zu machen und zu halten (wenn's denn schon sein muss!). Ein Gemüsegarten, ein Zimmer, eine Beziehung, die Sexualität, das Kochen, Essen und Trinken, mit alledem kann ich "ordentlich" umgehen, jedenfalls glaube ich das. Warum also nicht mit meinem Intellekt, mit Geist und Fantasie, warum kann ich sie nicht dazu bringen, produktiv zu sein?

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Dienstag,
23. April 2019
Auf der Wiese jenseits unseres Badebächleins existiert eine seltene Schönheit: Dactylorhiza maculata, das Gefleckte Knabenkraut. Weit und breit das einzige seiner Art.

In diesem Frühjahr wurde es allerdings arg geschunden: vor einem Monat ist der Nachbar mit der Egge drübergefahren und hat es geköpft, vor ein paar Tagen ist ihm dasselbe noch einmal passiert im Zug der Vorbereitung eines Spielbereichs mittels eines Rasenmähers.

Ich kann niemanden schimpfen, weiß ich doch selber erst seit kurzem von der Existenz der schönen Pflanze. Nun bleibt abzuwarten, ob sie sich in diesem Jahr noch einmal erholt und ihre Blüte zeigt. Erst mal habe ich eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen:



 
Geflecktes Knabenkraut (geköpft) Vorsichtsmaßnahme
Geflecktes Knabenkraut
Dactylorhiza maculata
(mehrfach geköpft)
Vorsichtsmaßnahme
(das Pflänzchen ist in seinem jetzigen Zustand
wirklich fast nicht zu erkennen)
   
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Sonntag,
14. April 2019
The Waste Land



 
April, der ärgste Monat, heckt Flieder mit der toten Flur, verquickt
April is the cruellest month, breeding Lilacs out of the dead land, mixing
 


   
Erinnern und Verlangen, langt Taube Wurzeln an mit Frühlingsregen.
Memory and desire, stirring Dull roots with spring rain.105
  105 Aus: ELIOT, T.S., The Waste Land, in: ders., Gesammelte Gedichte, Frankfurt am Main 1994, S. 84/85, deutsch von Eva Hesse
 

   
 
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Samstag,
13. April 2019
Neues von den Kratzbürstenbaustellen. Die Dachsanierung des Haupthauses (siehe 19.3.19) bringt es mit sich, dass für etliche Wochen ein Gerüst das Haus verziert. Und auf diesem Gerüst steht plötzlich eine Idee: die alten Bretter der Fassade auf der Hofseite brauchen doch dringend eine Erneuerung, und die prächtige Glyzinie einen Fassonschnitt. Also ran an die Fassade und rauf auf das Gerüst, solange es sowieso dasteht.
  Bereits vor Jahren, als die anderen Seiten des Haupthauses renoviert wurden, haben wir uns vom Efeu, der das Haus rundum bewachsen hatte, verabschiedet (z.T. schweren Herzens). Efeu ist schön, wennn es aber eines Tages ans Renovieren geht, z.B. die Fassadenwand neu verputzt werden muss, ist es ein Graus, ihn wegzumachen. Nie wieder Efeu am Haus! heißt es seither in der Kratzbürste.

   
 
Gerüst am Haupthaus Efeurest an der Hauptfassade Efeureste auf der Mauer Sklavenarbeit
Gerüst am Haupthaus – kann man doch zur Zweitnutzung einsetzen! Efeu ist schön, solange man ihn nicht aus zwingenden Gründen wieder beseitigen muss. (Efeurest an der Hauptfassade) Nachher sehen die Wände so aus, da hilft nur die Flex. Und das bleibt auf dem Holz zurück. Die Entfernung an solchen Stellen ist Sklavenarbeit.
   
 

Rund ums Dach wird alles erneuert. Wir können selber einiges machen, zum Beispiel Sperrholzplatten streichen, aus denen neue Bretter für den Ortgang geschnitten werden. (Bei der Gelegenheit habe ich das Wort neu gelernt.)

   
 
Fassadenbretter, vorbereitet zum Anstrich Schnitt für die Glyzinie Kaffeepause Neue Ortgangbretter
Bretter der Fassadenverkleidung, vorbereitet für den neuen Anstrich Die Glyzinie wird massiv gestutzt (dem Menschen, der diese Arbeit ausführt, muss man nach einiger Zeit die Astschere wegnehmen, wenn man will, dass von der Planze noch etwas übrig bleibt). Kaffeepause Streichorchester: Daraus werden neue Ortgangbretter.
   
 

Übrigens: seit Jahren pflegen wir die monatliche Gewohnheit eines Arbeitssamstags mit gemeinsamem Mittagessen.
   
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Donnerstag,
11. April 2019
Nach längerer Zeit wieder etwas Literarisches aus meiner Werkstatt. Ich arbeite an der Romanfassung der "Wegwerfwelt", ein Text, der bisher als (etwas schräger) Essay vorliegt (dessen Anfangsabschnitt hier zu finden ist).

Hier stelle ich den Anfang des (wahrscheinlich) zweiten Kapitels der Romanfassung vor, Stand 11.04.19:
Am frühen Morgen des 1. Januar 2000, im Aufbruch ins letzte Jahr des Millenniums (notabene einem Tag, den jedermann, überreizt und verführt durch die Zahlen, als Beginn eines neuen Jahrtausends missverstand), fuhr der achtundzwanzigjährige Max N. lange vor Tagesanbruch durch das Dunkel der Münchner Vororte von einem Fest nach Hause, behelligt (wenn auch in unterschiedlichem Maß) von schwankenden Gestalten in den Straßen, ebenso schwankenden flüchtigen Bildern der durchfeierten Nacht und der Angst vor Verkehrskontrollen, die zu scheuen er Grund hatte – wie fast alle, die an diesem Morgen mit dem Auto unterwegs waren.

Gefeiert hatte man in Stockdorf, sechzig, siebzig Leute, um die zwanzig waren immer noch da. Max trat ins Freie (es roch nach Reihenhäusern und erbrochenem Bier), er streckte sich, sog die Morgenkälte ein, die böig vom Fluss her wehte (die Würm, die sich hinter den Häusern leise durch die Dunkelheit gurgelte). Er ließ den Lärm zurück, das Gequatsche, die Musik, er hatte genug. Wo stand das Auto? Sein Stolz, den er nur selten aus der Garage holte (meistens fuhr er mit der S-Bahn in die Stadt): froschgrün (bei Tageslicht), vierzig Jahre alt und zu dieser Stunde in fraglos besserem Zustand als sein Fahrer. Er tat immer gekränkt, wenn jemand den Wagen den DKW nannte – es war ein Auto Union 1000 S de Luxe Coupé mit Scheibenbremsen und Panoramascheibe, das absolute Topmodell von 1959, ein bildschöner, völlig unkorrekter Zweitakter (er liebte das blaue Wölkchen paffende Rönn-dön-dön-dön). Es war widerlich kalt, er würde frieren, die nächtliche Fahrt war nicht geplant. Immerhin lag kein Schnee, hier wenigstens. Um nach Hause zu kommen, musste er die Isar überqueren, er wohnte in Deining. Am schnellsten führe er über Forstenried und die Starnberger Autobahn zur Schäftlarner Brücke, allerdings war dieses Autobahnstück eins der bestüberwachten im Freistaat (wie er immer wieder feststellte). Natürlich war es bescheuert, mit dem Auto zu einer Silvesterfeier zu fahren. Er hatte überhaupt nicht vorgehabt nach dem Besuch in der Stadt noch etwas zu unternehmen, das neue Jahr (Jahrhundert, Jahrtausend) hätte gern ohne ihn anfangen können, das Datum spielte keine Rolle, unausweichlich würde das Jahr Wichtiges bringen (fröstelnd fiel die gefühlte Temperatur um zwei Grad): die Vereidigung zum Beamten auf Lebenszeit stand bevor, zwei Monate noch und er wäre Regierungsrat (auf Lebenszeit klang freilich nach lebenslänglich – doch das hatte er mit sich ausdiskutiert). Dann war ihm auf dem Heimweg (er war schon in Solln) Filippos Fest eingefallen. Er könnte vorbeischauen – vielleicht ist Els da! Der Gedanke hatte ihn (wie immer) für einen Moment aus dem Takt gebracht. Els, die mit ihm Literatur studiert hatte, bis er auf Jura umgestiegen war. Wegen Els‘ Vater. Letztendlich war Els schuld. An allem war sie schuld. Sie hatte über Rilke gearbeitet, Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht. Man fühlt den Wind von einem großen Blatt. Ein Jahr oder so hatte er sie nicht mehr gesehen. Els! Sie war wirklich gegen elf aufgetaucht (eine Schar Verehrer im Schlepp), um Mitternacht war man (natürlich) einander um den Hals gefallen, pünktlich waren irgendwo ein paar Sektgläser zu Bruch gegangen, und jemand hatte einen Walzer aufgelegt (wieder schüttelte es ihn). Gegen zwei war Els gegangen. Mit einem ihrer Fans, knutschend. Max hatte vielleicht zehn Minuten, alles zusammengenommen, mit ihr geredet.

Sollte er den Weg nehmen, den er immer fuhr, wenn er vom Münchner Westen kam, über Solln und die Grünwalder Brücke? Er verwarf den Gedanken, zu gefährlich, zu nah an der Stadt. Am sichersten wäre die Wolfratshauser Brücke (Vroni war aus Wolfratshausen, sie war ebenfalls da, mit Horst gekommen und mit ihm wieder verschwunden, aber sie war sowieso zweite Wahl), nur: Wolfratshausen war ein elender Umweg, wenn man nichts wie (allein) ins Bett wollte. Und wenn er diese heikle Autobahn meiden wollte, müsste er über Starnberg fahren: keine sichere Gegend, gerade Starnberg! Zwei Wochen zuvor hatten sie ihn blasen lassen, die Starnberger. Nullkommavier, Glück gehabt. Summer surprised us, coming over the Starnbergersee with a shower of rain, die Literatur hatte ihn jedenfalls nicht verlassen (um diese Jahreszeit kam vom See her freilich eher Nebel). Man hatte ihn über Dichterjuristen promovieren lassen, immerhin, Eichendorff, Verhaeren und so. Und Carol hatte mit einem Typen, den er nicht kannte, rumgemacht (ein Ami, wie sich das Gelaber angehört hatte). Alles in allem eine unerfreuliche Fete, das hätte er sich sparen können. Zwei, drei andere wären noch infrage gekommen, allenfalls, er wusste keine Namen. Alle zweite Wahl, höchstens. Wobei: zweite Wahl würde irgendwie zu ihm passen (es lachte in ihm auf), in seinem Leben war alles zweite Wahl, das Studium zum Beispiel. Er hatte gewechselt, weil Els‘ Vater ihm damals angeboten hatte, in die Kanzlei einzusteigen, der Vater hatte ihn gemocht. Jura wäre doch richtig kreativ, man könne viel bewirken, Gutes tun, bla bla. Als es dann vor drei Jahren mit Els vorbei war, hatte sich auch der Kontakt zum Vater abgekühlt, im Studium war er aber schon so weit, dass er es nicht mehr abbrechen wollte. Und er konnte der Juristerei sogar inzwischen einiges abgewinnen, das mit der Kreativität war nicht falsch. Dann eben in irgendein Amt. Beim Staat. Und? War doch o.k. für den Anfang, Regierungsrat und so. Die Literatur konnte er nebenbei betreiben (wäre als Beruf eh nur brotlos gewesen), die war dann halt jetzt die zweite Wahl (noch ein Aufgelächter). Bitteres stieß ihm auf. Zum Schluss hatte ihn diese Schwatzblase (Gesine oder wie sie hieß) noch angebaggert, (das Make-up nicht mehr unbeschädigt, wie die ganze Person), nicht sein Typ, überhaupt nicht (dürr wie die war), trotzdem war er nahe daran gewesen ihr nachzugeben (getrunken hatte er hinreichend). Wenn schon nicht Els (Els, das hatte wehgetan). Oder wenigstens Vroni. Oder Carol. Als verworrener Reigen traten sie in der dunklen Straße zwischen den ahnungs- und lieblosen Eigenheimen vor ihm auf. Die Schäftlarner Brücke war sicher am besten, die Autobahn musste er nicht zwingend nehmen, er kannte sich doch aus. Er konnte sich auf Schleichwegen an die Brücke heranmachen (bei einer Brücke wird’s wohl klappen), von Leutstetten führte ein schmales Waldsträsschen an der Schwaig vorbei nach Wangen. Und von da nach Schäftlarn. So könnte es gehen. Gar so übel war die Gisa (oder so) eigentlich nicht, ein bisschen jung (ob die schon achtzehn war?), und eine Macke hatte die auch. Bestimmt hatte sie was genommen, so wie die drauf war. Das hätte interessant werden können (was man so hört). Er hatte seine Phantasie spazierengeführt, während ihr Geblubber durch ihn hindurchperlte, und er sich (Typ hin, Typ her) in ihren entgegenkommenden Ausschnitt versenkte (auch wenn da nicht viel drin war). Was sie wollte, war klar. Das hatte was. Nur hörte sie sich an, als würde sie die Nacht durchplappern. Er sah sich am folgenden Morgen (also am Nachmittag) neben ihr aufwachen, Nettigkeiten absondern, ein Frühstück mit ihr teilen – und auf einmal war er ernüchtert, fühlte sich geradezu geprellt. Fast wurde ihm schlecht. Wie hatte er sich verabschiedet? Hatte er das überhaupt? Unerquicklich, wie gesagt, das Fest, und es entglitt ihm, kaum dass er die ersten Schritte die Straße hinunter getan hatte (wo er den DKW an der Ecke stehen sah). Alles kippte ins Dunkel, die Musik, das Geschwätz, die Figuren, Els, Vroni, Carol, Gisela (hieß sie Gisela? Kein Mensch heißt mehr Gisela). Er griff in die Hosentasche, fühlte den Schlüssel unter dem Taschentuch, zog ihn heraus (und traf auf Anhieb das Schlüsselloch). Er öffnete die Tür, ließ seine Einmeterneunzig auf den Sitz fallen und schlug die Tür zu, dass es froschgrün in die Nacht hinaus schepperte, halloo! Um Gauting herum müsste er wachsam sein, ganz ohne Risiko war auch diese Strecke nicht. Es war halb vier. Er fuhr los, auf Gauting zu.


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  Und noch eine Ergänzung zum Eintrag vom letzten Mal:

Die
GLS-Bank sammelt Geld für Schüler und Schülerinnen, denen wegen ihres Einsatzes bei den Fridays For Future ein Bußgeld droht.
   
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Freitag,
5. April 2019
Ich habe mir die Rede von Greta Thunberg angehört und angeschaut, die sie vor wenigen Tagen bei der Verleihung der Goldenen Kamera gehalten hat (eine Veranstaltung, die mir normalerweise am A... vorbeigehen würde). Wie die schwedische Schülerin in wenigen schlichten Worten den versammelten Schickis und Promis die Leviten gelesen hat, ist großartig.

Hier der Link zur Seite des ZDF mit Greta Thunbergs Ansprache vom 30. März in Berlin. (Das Video ist ein Jahr lang verfügbar.)



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Donnerstag,
4. April 2019
April, April!

Nach dem Vorfrühling im Februar und dem Frühling im März nun also der Winter im April. Der Schnee übersteigt gerade die Höhe von zehn Zentimetern.

 
Vorfrühling im Februar Frühling im März Winter im April Nektarinenblüten im Schnee
Vorfrühling im Februar Frühling im März Winter im April Nektarinenblüten im Schnee
   
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