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Dienstag, 28. Juni 2016 |
Brexit,
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Slowexit,
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Unxit,
Zyxit ...
... und tschüß! |
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Samstag, 25. Juni 2016 |
Josef (26) – Fortsetzungsgeschichte, 26. Teil ( zur Einleitung) ( zum 25. Teil) Josef brach auf, ich blieb sitzen. Er nahm seine Kraxe, schwer aufgepackt mit Holzscheiten, und hängte sich einen großen Beutel, ebenfalls voller Brennholz, über die Schulter. In die Hand nahm er einen langen Stock, und ich schaute ihm nach, wie er mit bedächtigen Schritten durch den Kastanienwald zum Dorf zurückging. Es war dieses Bild, das beim Missverstehen des Armutsberichts in mir auftauchte. Fortsetzung folgt |
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Leider hinke ich etwas hinter der Aktualität her. Am vergangenen Sonntag gab es in der originellen Hörfunkreihe Freistil des Deutschlandfunks eine Sendung über Autisten. Es ging um die besonderen Fähigkeiten dieser Menschen, insbesondere solcher mit dem sogenannten Asperger-Syndrom, das Wikipedia als "eine milde Variante innerhalb des Autismusspektrums" bezeichnet. Bei der Beschreibung fiel mir auf, dass es offenbar eine Reihe von Eigenschaften dieser Menschen gibt, die ich ansatzweise mit ihnen teile. Ich denke dabei an eine grundsätzlich schwach ausgeprägte Angepasstheit an gesellschaftliche Konventionen (die vermutlich beinahe zwangsläufig zum Scheitern dessen führt, was gemeinhin Karriere genannt wird), sowie das Bedürfnis, immer wieder menschliche Gesellschaft zu meiden, weil sie einen stört, beeinträchtigt, in Verlegenheit bringt usw. Ich kann das für mich ohne Weiteres nachvollziehen. Was mir vermutlich fehlt, ist die meist stupende mathematische Begabung dieser Menschen. Obwohl: ein starkes Interesse für Logisches und Systematisches ist schon vorhanden (siehe Tesserakt). Vielleicht bin ich ein lebender Beweis dafür, dass es zwischen Asperger-Autisten und "normalen" Menschen einen fließenden Übergang gibt. Ich stehe manchmal mitten in diesem Fluss. Dazu fällt mir das Buch von Manfred Lütz über die scheinbaren Irren ein.61 Vielleicht ist mein ganzer Blog ja ein Beleg für aspergerhaftes Verhalten. Überhaupt: das Internet ist ein fantastischer Rummelplatz, auf dem alle Irren ihren Autismus austoben können (wenn dieses etwas schiefe Bild gestattet ist). |
61 LÜTZ, Manfred: Irre! - Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen; München 2011 | ||||
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Sonntag, 19. Juni 2016 |
Die alten Tagebücher (Fundstück 2)13. September 1978 |
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Josef (25) – Fortsetzungsgeschichte, 25. Teil ( zur Einleitung) ( zum 24. Teil) Er beschrieb mir, wie man die Kastanienbäume gleich den Obstbäumen gezüchtet und gepflanzt hatte, dass es verschiedene Sorten gab, die Bäume in Baumschulen veredelt wurden, wie man es bei Äpfeln und Birnen machte. Fortsetzung folgt |
60 HÖLDERLIN, Friedrich: Die Eichbäume, in: Gedichte, Wien – Leipzig 1944, S. 12 | ||||
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Ich habe einfach das Gefühl, dass die letzten Wahrheiten über die Welt sich nicht in der Geschichte oder der Soziologie finden lassen, sondern in Biographien.59 |
59 PIRSIG, Robert M.: Lila oder ein Versuch über Moral, Frankfurt am Main 2006, S. 200 | ||||
Robert M. Pirsig |
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Sonntag, 12. Juni 2016 |
Josef (24) – Fortsetzungsgeschichte, 24. Teil ( zur Einleitung) ( zum 23. Teil) Warum haben Josef und ich einander aus den Augen verloren? Ich erinnere mich nicht an konkrete Ereignisse, einen Verlust an Interesse oder gar ein Zerwürfnis zwischen uns, das zu einer Abkehr des einen vom andern geführt hätte. Vielleicht ist es einfach so gewesen, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende war, so wie im Leben immer wieder Gemeinsames zwischen einzelnen Menschen ein Ende findet. Man begleitet einander, teilt vieles miteinander, braucht den andern vielleicht auch – und dann ist diese Zeit vorüber, jeder geht neue Wege, mit neuen Begleitern. Fortsetzung folgt |
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Samstag, 11. Juni 2016 |
Erste Sätze (16) Amélie Nothomb, Der Professor (Les Catilinaires, 1995) Von sich selbst weiß man nichts. |
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Montag, 6. Juni 2016 |
... Bienenschwarm im Jun' – ist wert ein fettes Huhn ... |
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Sonntag, 5. Juni 2016 |
Josef (23) – Fortsetzungsgeschichte, 23. Teil ( zur Einleitung) ( zum 22. Teil) Wie war Josef zu dieser Haltung gekommen? Ich glaube, er wäre als junger Mensch nie auf die Idee gekommen, ein Künstler sein oder werden zu wollen. Um ihn herum gab es nichts Künstlerisches. Nachdem ihn seine Mutter aufs Land geschickt hatte, lebte er unter Bauern und Handwerker, keiner redete von Kunst. Künstler hatte es in den alten Zeiten gegeben, von ihnen stammten die Figuren und Bilder in den Kirchen, aber in der Gegenwart des Jahres 1945 war alle Kunst am Ende. Fortsetzung folgt |
58 HUYSMANS, Joris-Karl: Tief unten, Stuttgart 2007, S. 243 | |||
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Samstag, 4. Juni 2016 |
Kratzbürstengartenfrühling |
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Freitag, 3. Juni 2016 |
Es ist schon eine ganze Reihe von Jahren her, dass ich in meinem Leib- und Magenradioprogramm, dem Deutschlandfunk, einen Journalisten zum ersten Mal das Wort Journalist wie Dschurnalist aussprechen hörte. Ich hab mir eins gegrinst, haha, dachte ich, der hat bestimmt mit seinen Kollegen gewettet, dass er sich das traut, ins offene Mikrofon hinein das Wort so blöd auszusprechen. Gibt vielleicht einen Euro von den anderen in die Kaffeekasse oder so. Einige Zeit später hat ein anderer Sprecher, wieder später dann eine Sprecherin denselben Nonsens produziert, und schließlich wurden es immer mehr, die Dschurnalist oder Dschurnalismus sagten, wie eine Seuche griff das um sich. Die Kasse, dachte ich, muss ja bald überquellen. Bis mir der Verdacht kam: die meinen das ernst. Also: die wissen es nicht anders und glauben tatsächlich, das gehört sich so. Inzwischen erwarte ich es kaum noch anders. Heute zum Beispiel, 19 Uhr 15, das "Medienquartett": lauter Fachleute, und mit einer (weiblichen) Ausnahme, haben alle ihre Marotte geradezu aggressiv in Szene gesetzt: Tschurnalismus, Tschurnalist, tschurnalistisch ... Ich habe mich an den Schmarrn gewöhnt. Wenn mal ein Sprecher, eine Sprecherin, Journalist oder Journalismus ausnahmsweise richtig ausspricht (was nicht mehr oft vorkommt), verbessere ich das insgeheim für mich und sage leise vor mich hin: Dschurnalist heißt das, Dschurnalismus ... |
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Donnerstag, 2. Juni 2016 |
Es gibt einen Klassiker der Science-Fiction-Literatur, "Solaris", von Stanisław Lem, aus dem Jahr 1968. In einer Passage macht sich eine Figur Gedanken über die Motivation, mit der die Menschheit fremde Welten und Zivilisationen aufsucht:Wir brechen in den Kosmos auf, wir sind auf alles vorbereitet, das heißt, auf die Einsamkeit, auf den Kampf, auf Martyrium und Tod. Aus Bescheidenheit sprechen wir es nicht laut aus, aber wir denken uns manchmal, dass wir großartig sind. Indessen, indessen ist das nicht alles, und unsere Bereitschaft erweist sich als Theater. Wir wollen gar nicht den Kosmos erobern, wir wollen nur die Erde bis an seine Grenzen erweitern. Die einen Planeten haben voll Wüste zu sein, wie die Sahara, die anderen eisig wie der Pol oder tropisch wie der brasilianische Urwald. Wir sind humanitär und edel, wir wollen die anderen Rassen nicht unterwerfen, wir wollen ihnen nur unsere Werte übermitteln und, als Gegengabe, ihrer aller Erbe annehmen. Wir halten uns für die Ritter vom heiligen Kontakt. Das ist die zweite Lüge. Menschen suchen wir, niemanden sonst. Wir brauchen keine anderen Welten. Wir brauchen Spiegel. Mit anderen Welten wissen wir nichts anzufangen. Es genügt unsere eine, und schon ersticken wir an ihr. Wir wollen das eigene idealisierte Bild finden; diese Globen, diese Zivilisationen haben vollkommener zu sein als die unsere, in anderen wiederum hoffen wir das Abbild unserer primitiven Vergangenheit zu finden. Indessen ist auf der anderen Seite etwas, was wir nicht akzeptieren, wogegen wir uns wehren, und schließlich haben wir von der Erde nicht nur das pure Destillat aus lauter Tugenden mitgebracht, das heroische Standbild des Menschen! Wir sind so hierhergeflogen, wie wir wirklich sind, und wenn die andere Seite uns diese Wahrheit zeigt, diesen Teil von ihr, den wir verschweigen, – dann können wir das nicht hinnehmen!57Wird es deutlich, warum ich diese Passage zitiere? Man braucht statt "Menschen" oder "Erde" nur "westliche Zivilisation" einzusetzen. Sie ist es, die wir bis an die Grenzen des Globus erweitern wollen. Wir wollen nichts als Spiegel überall. |
57 LEM, Stanisław: Solaris, Krakau 1968. Das Zitat stammt aus der deutschen dtv-Ausgabe von 2003, S. 84 f. |
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Mittwoch, 1. Juni 2016 |
Erste Sätze (15) Hermann Hesse, Narziß und Goldmund (1930) Vor dem von Doppelsäulchen getragenen Rundbogen des Klostereinganges von Mariabronn, dicht am Wege, stand ein Kastanienbaum, ein vereinzelter Sohn des Südens, von einem Rompilger vor Zeiten mitgebracht, eine Edelkastanie mit starkem Stamm; zärtlich hing ihre runde Krone über den Weg, atmete breitbrüstig im Winde, ließ im Frühling, wenn alles ringsum schon grün war und selbst die Klosternussbäume schon ihr rötliches Junglaub trugen, noch lange auf ihre Blätter warten, trieb dann um die Zeit der kürzesten Nächte aus den Blattbüscheln die matten, weißgrünen Strahlen ihrer fremdartigen Blüten empor, die so mahnend und beklemmend herbkräftig rochen, und ließ im Oktober, wenn Obst und Wein schon geerntet war, aus der gilbenden Krone im Herbstwind die stacheligen Früchte fallen, die nicht in jedem Jahr reif wurden, um welche die Klosterbuben sich balgten und die der aus dem Welschland stammende Subprior Gregor in seiner Stube im Kaminfeuer briet. |
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Montag, 31. Mai 2016 |
Josef (22) – Fortsetzungsgeschichte, 22. Teil ( zur Einleitung) ( zum 21. Teil) Josefs Bild von seinen ihn umkreisenden Frauen beeindruckte mich damals sehr. Es war originell, phantasievoll und poetisch, ich sah seinen künstlerischen Sinn für die Erscheinungen der Welt und besonders für die Beziehungen zwischen den Menschen. Dieses Gespräch fand, wenn ich mich recht erinnere, während einem meiner letzten Aufenthalte in Aubrac statt, irgendwann gegen Ende der Achtzigerjahre. Wir waren uns im Lauf der Zeit nahegekommen, er hatte viele seiner Gedanken mit mir geteilt. Wiederholt hatte er mir seine Überlegungen zu Handwerk und Kunst offengelegt und seinen ganz persönlichen Weg von dem einen zum andern geschildert. Ihm war außerordentlich wichtig, dass er sich zuerst als Handwerker gesehen hat, der sich erst im Lauf der Jahre und Erfahrungen zum Künstler gebildet hat. Die Hand, sagte er einmal, sei das, was die Gedanken erst ermögliche. Fortsetzung folgt |
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Montag, 30. Mai 2016 |
Gehe nicht hinter mir, vielleicht führe ich nicht. Geh nicht vor mir, vielleicht folge ich nicht. Geh einfach neben mir und sei mein Freund. |
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Albert Camus zugeschrieben |
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Sonntag, 29. Mai 2016 |
... Bienenschwarm im Mai – ist wert ein Fuder Heu ... |
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Erste Sätze (14) J. D. Salinger, Der Fänger im Roggen (The Catcher in the Rye, 1951) Wenn ihr das wirklich hören wollt, dann wollt ihr wahrscheinlich als Erstes wissen, wo ich geboren bin und wie meine miese Kindheit war und was meine Eltern getan haben und so, bevor sie mich kriegten, und den ganzen David-Copperfield-Mist, aber eigentlich ist mir gar nicht danach, wenn ihr’s genau wissen wollt. Und weil dieser Satz wirklich zu schön ist, hier das englische Original: If you really want to hear about it, the first thing you’ll probably want to know is where I was born, and what my lousy childhood was like, and how my parents were occupied and all before they had me, and all that David Copperfield kind of crap, but I don’t feel like going into it, if you want to know the truth. |
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Samstag, 28. Mai 2016 |
Ein warhaffte vnd erschröckliche Geschicht; Von D. Johann Fausten / dem weitbeschreiten Zauberer vnd Schwartzkünstler / wie er sich dem Teuffel mit Leib vnd Seel / auff 24. jarlang mit seinem eigen Blut verschrieben / Was er hier zwischen für ein Gottloß Epicurisch leben geführt / vnd was für seltzame Abenthewer er getrieben / biß er endelich von dem Teuffel nach verlauffener Zeit jämmerlich umbgebracht und hingefürt worden. Allen Gottlosen / Vbermütigen / vnnd fürwitzigen Menschen zu einem erschröcklichen exempel vnd trewhertzigen warnung an tag geben / vnd auß dem vorigen getruckten teutschen exemplar in reymen verfasset 56 Dies ist der Titel eines Buches aus dem Jahre 1587. Ein gewisser Johannes Feinaug hat die im selben Jahr erschienene Historia Von D. Johannes Fausten in Reime gesetzt und unter diesem ellenlangen Titel in Tübingen veröffentlicht. Das Werk ist bei Literaturhistorikern und Antiquaren unter dem Namen "Der Tübinger Reim-Faust" bekannt, und man nennt einen derart üppigen Titel einen Barocktitel. In der letzten Zeit gab es hin und wieder Romanveröffentlichungen, die in ihrer Titelgebung einen ähnlichen Ehrgeiz aufweisen. Zwei von ihnen haben den Weg zu mir gefunden: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann, Schweden 2009) von Jonas Jonasson und Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969 (Berlin 2015) von Frank Witzel. Der "Hundertjährige" erreichte im Jahr 2012 die Spitzenposition in der Spiegel-Bestsellerliste, der "manisch-depressive Teenager" erhielt 2015 den Deutschen Buchpreis. Beide Bücher wurden von der Kritik himmelhoch gelobt, deshalb habe ich sie mir gekauft. Den Roman von Jonasson habe ich nach ca. dreißig Seiten (von 430) auf die Seite gelegt, weil ich von der witzischen Sprache angeödet war und mich gelangweilt habe. Beim Buch von Frank Witzel bin ich jetzt auf Seite 134 angekommen (von 800) und suche vor mir selber ständig nach Ausreden um nicht weiterlesen zu müssen. Allerdings schreibt Witzel in einer anderen Liga als Jonasson, somit mag der Buchpreis schon seine Berechtigung haben. Da es kein guter Stil ist, Bücher zu rezensieren, die man nur ansatzweise gelesen hat, folgen an dieser Stelle keine weiteren Kommentare. |
56 zitiert nach: RADERS, Margit: Der Titel in der Faust-Tradition, in: Mecke, J./Heilers, S. (Hg.) Titel-Text-Kontext, Berlin u. Cambridge/Mass. 2000, S. 90 f. | |||
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[ hier noch eine weitere Anmerkung zur Erfindung der Roten Armee Fraktion etc.] | |||||
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Montag, 23. Mai 2016 |
Zu sein, bedeutet immer, auf eine bestimmte Weise zu sein, sich zu unterscheiden, einen Unterschied zu pflegen, als ein Intervall da zu sein. |
55 Zvi Szir: Die Welt entmischen, in: Das Goetheanum Nr. 20-21/2016 | |||
Zvi Szir 55 | |||||
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Sonntag, 22. Mai 2016 |
Wieder eine Woche deshalb wenig Geschriebenes. Die letzten beiden Tage mit einem ebenso fantastischen wie grausamen Roman von Henning Mankell verbracht: Die falsche Fährte (Villospår, 1996). Warum zieht uns das Grauen so an? |
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Freitag, 20. Mai 2016 |
Seit achtunddreißg Jahren schreibe ich Tagebuch. Ich räume gerade mein Arbeitszimmer auf, und da stoße ich auf die ganz alten Texte. Die allerersten Sätze, vom 6. Juli 1978, lauten: Wenn mir nicht immer alles davonschwimmen wollte, sobald ich Papier und Schreiber zur Hand nehme! Die ganze Nacht im Taxi so klare Gedanken – auch gestern schon – und sobald ich mich daran machen will, sie aufzuschreiben: wie weggeblasen!(Zur Erläuterung: ich habe zu jener Zeit in München nachts als Taxifahrer gearbeitet.) Ich werde ab und zu Fundstücke aus den alten Zeiten hier vorstellen. |
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Dienstag, 17. Mai 2016 |
Erste Sätze (13) Orhan Pamuk, Das Museum der Unschuld (Masumiyet Müzesi, 2008) Es war der glücklichste Augenblick meines Lebens, und ich wusste es nicht einmal. [Eines der schönsten Bücher, die ich kenne] |
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Sonntag, 15. Mai 2016 |
"Ich war, wo mich niemand suchte" Ich gerate – wieder einmal so nebenbei, ich kann's nicht lassen – in eine Radiosendung. Dieses Mal ist es der "Sonntagsspaziergang". Die Sendung dreht sich um Schriftsteller auf Helgoland, und das Zitat, der Titel des Beitrags, stammt von Friedrich Hebbel, der ergänzte: " – auf Helgoland." Da ich zur Zeit darüber nachdenke, warum ich mit meinem Schreiben so wenig erreiche, spitze ich immer die Ohren, wenn mir etwas begegnet, das auch nur entfernt mit dem Schreiben zu tun haben könnte – also so gut wie jedes Thema. Ich war nie auf Helgoland, glaube auch nicht, dass ein Besuch in meinem immer kürzer werdenen Leben noch dringend nötig sein wird, aber: als ich etwa in meinen zwanziger Jahren war (schon etwas aus der Bahn geraten) und mir Gedanken über eine berufliche Zukunft machte, stellte sich mir ein Traumberufsbild vor das innere Auge: Leuchtturmwärter auf Helgoland. Es war natürlich mehr ein Bild als ein konkreter Berufswunsch, zumal ich als Münchner zu jener Zeit keinerlei Verbindungen in den deutschen Norden hatte. Das Bild aber trage ich noch in mir: ein Raum um mich, den mir keiner streitig macht, wo ich mich mit keinem anlegen muss, wo ich ganz für mich sein kann – wo mich niemand sucht. () |
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Gelegentlich habe ich die mangelnde Radikalität in meinem Leben beklagt (dabei höre ich noch meine Mutter, die ihrem damals vielleicht 18- oder 19-jährigen Sohn entgegenhält: du bist immer so extrem ... Aber das war von einem nicht minder extremen bürgerlichen Standpunkt aus gesprochen, und hatte daher nicht viel zu bedeuten). Zwar habe ich einen unbürgerlichen Lebenslauf vorzuweisen, so weit, so gut, aber er macht mich in der Rückschau nicht zufrieden. Oder nur teilweise, denn über gewisse Abschnitte gibt es wenig zu klagen. Und doch ... Am unbefriedigendsten ist mir die Entwicklung meines Schreibens. Es entstand aus einer therapeutischen Situation nach traumatischen Zeiten vor etwa fünfzehn Jahren. Schreib das mal auf, sagte die Therapeutin, ich tat es, und das Schreiben erfüllte seinen Zweck. Ungefähr ein Jahr später nahm ich das Geschriebene wieder zur Hand und fasste den Plan, daraus etwas "Richtiges" zu machen, also den therapeutischen Text in einen literarischen zu verändern. Damit kam ein Prozess in Gang, dem aber allem Anschein nach die erwähnte Radikalität gefehlt hat und immer noch fehlt. Woraus schließe ich das? Zwar habe ich eine ganze Reihe von Texten verfasst: zwei Romane, zwei längere Erzählungen (eine zusätzlich in einer Theaterversion), eine Kurzgeschichte usw., aber: nichts ist veröffentlicht. Das ist der Punkt, der mich unzufrieden macht, denn Schreiben heißt ja Veröffentlichen, wenn ich es nicht – wie mein ganzes Leben zuvor – bei Briefen und Tagebüchern belassen will. Wenn Schreiben gleich Leben ist (wie die meisten Schriftsteller bekennen) heißt das, dass auch meinem Leben etwas fehlt. Was heißt es heute, radikal zu leben? Ich bin auf den attraktiven Blog des anthroposophischen Kulturwissenschaftlers Robin Schmidt gestoßen. Eines seiner Videos versucht eine Antwort auf diese Frage zu geben und kommt zu dem Schluss: Radikales Leben heute wäre Unumkehrbarkeit, Verdichtung, Dichtung ... |
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Samstag, 14. Mai 2016 |
Man muss nicht immer mit dem amerikanischen Eigensinn, der sich immer wieder staatlichen Gesetzen erbittert entgegenstellt, einverstanden sein. Oft zeigt sich da eine für Europäer schwer verständliche Sturheit, der Wilde Westen ist noch lebendig. Aber hin und wieder blitzt in amerikanischen Aktionen eine innere Unabhängigkeit auf, von der man sich auch im alten Europa eine Scheibe abschneiden könnte. (rechts: eine amerikanische Unabhängigkeitserklärung) Wie diese Bauern wohl über TTIP denken? |
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Aus: Das Goetheanum, Nr. 20-21/2016 | ||||
Samstag, 7. Mai 2016 |
Es gäbe so viel, worüber man gerne ein Wort verlieren würde. Ein Beispiel aus der vergangenen Woche: der Artikel "Merkels neue Kleider" von Wolfgang Streeck in der FAZ vom letzten Dienstag (3.5.16). (Ja, es kommt gelegentlich noch vor, dass ich eine Tageszeitung in die Hand nehme.) Habe mir auch tatsächlich einen Text zurechtgelegt, schaue dann informationshalber ins Netz, und was finde ich: Der Freitag hat sich des Themas bemächtigt, beziehungsweise dessen Leser, und da vergeht mir dann doch die Lust, mich noch weiter über das Thema zu verbreiten. Also, nichts gegen den Freitag (und seine Leser), aber in so einem Forum steht dann ja schon alles, was man selber irgendwie zum Ausdruck bringen wollte, einschließlich dessen Gegenteil. Und auch unter den Intellektuellen herrscht gelegentlich ein Ton, wie man ihn sonst in den Proll-Foren findet. Dann lieber nicht. Nur kurz noch: es wundert mich, wie nahe sogenannte linke Intellektuelle (als solcher gilt Streeck) mit ihren Aussagen den Positionen von AfD oder Pegida kommen können: Wie Streeck beispielsweise über "die Medien" herzieht, ist vom Vorwurf der Lügenpresse nicht mehr weit entfernt: Hinter "Regierung, Opposition, Verbänden und Medien" sieht er "ein politisches System von opaker Geschlossenheit, zusammengehalten durch eine Unzahl von Sprech-, Denk- und Frageverboten ...". Was ich mich frage, ist, in was für einer Welt der Mensch lebt. Wer mehr darüber lesen möchte, schaue bitte in das Freitag-Forum. |
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Donnerstag, 05. Mai 2016 |
Frühling – Tulpenzeit. Tulpen sind "dreizählig", haben sechs Blütenbläter, sechs Staubgefäße usw. Meistens. Es geht auch anders. |
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Im 19. Jahrhundert war man groß in der Beschreibung der Erscheinungen der Natur, nicht zuletzt auch ihrer Variabilität und Irrwege. Meine siebenblättrige Tulpe kannte man da längst. Der Textausschnitt rechts stammt aus dem 1894 erschienenen 2. Band des Werks "Pflanzen-Teratologie"54 von O. Penzig ("Ord. Prof. der Botanik und Director des botan. Gartens an der Universitaet Genua"). | 54 von griechisch teras (τέρας) = Monster |
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Samstag, 30. April 2016 |
Josef (21) – Fortsetzungsgeschichte, 21. Teil ( zur Einleitung) ( zum 20. Teil) – Nein, überhaupt nicht, sagte er, wieso denn? Dann schaute er sich einen Moment um und starrte irritiert auf eine Stelle an der Wand neben dem Fenster, zwei Schritte von seinem Sitzplatz, immer noch die Jacke in der Hand. – Du hast einen Moment Zeit, oder?, und er legte die Jacke auf seinen Stuhl, ging rasch wieder nach unten, ich hörte ihn kramen, gleich darauf kam er mit einem kleinen Werkzeugkoffer und einem metallenen Garderobenhaken zurück. – Hab’s gleich. Fortsetzung folgt |
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Freitag, 29. April 2016 |
Josef (20) – Fortsetzungsgeschichte, 20. Teil ( zur Einleitung) ( zum 19. Teil) Ich habe viel unter Josefs Anleitung gelernt. Aufmerksamkeit und konzentriertes Arbeiten: darin war er ein Meister. Dazu hatte er einen klaren und sicheren Begriff von Qualität, dieser schwer beschreibbaren Eigenschaft der Dinge. Der von Menschen gemachten Dinge, meine ich, denn in der Natur von Qualität im Sinne von mehr oder weniger gut zu sprechen, ist unsinnig. Nur die Menschen vollbringen Gutes oder Schlechtes. Fortsetzung folgt |
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Montag, 25. April 2016 |
Morgendlicher Blick aus dem Fenster: Das ist jetzt aber nicht wahr, oder? |
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Sonntag, 24. April 2016 |
Als beharrlicher Radiohörer (siehe: Input!) gerate ich gelegentlich sonntags in die Übertragung eines Gottesdienstes. In großen zeitlichen Abständen tue ich mir eine solche Sendung an und höre aufmerksam in Predigten und Ansprachen hinein. Ich möchte etwas über die Fortschritte in der Art und Weise erfahren, wie die Pfarrer sich an das Volk wenden. Schließlich bin ich vor langer Zeit in einem katholischen Umfeld aufgewachsen, war Ministrant und habe als Jugendlicher das Gepränge katholischer Messfeiern sehr genossen. Am heutigen Sonntag war das Ergebnis leider (wieder einmal) ernüchternd: Die Lesung bemühte einen der anspruchsvollsten Texte des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes: … Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen … Seht, ich mache alles neu … Das war als vorweggenommene – sehr vereinfachte – Antwort auf Mühsal und Trauer im menschlichen Leben gedacht, von denen in der (kurzen) Predigt die Rede war: Ihm (Gott) seien wir nicht egal, Er wolle das Leben, Er schenke Zukunft … Symbole brauche es dazu: die Kirchen, die zur Sprache bringen, dass Gott mitten unter uns sei … Er wird’s schon richten, heißt das, wir müssen uns nur unter dem Dach der Kirche versammeln und alle Verantwortung an der Kirchentür abgeben. Dieselben beziehungslosen Sprüche wie vor fünfzig oder sechzig Jahren, und der salbadernde Ton ist ebenfalls genau derselbe. Offenbar ist es immer noch so leicht wie damals, mit salbungsvollen, aber billigen Worten die Gemeinde der Schafe um sich zu scharen. Wie aus der Zeit gefallen. O Herr, schmeiß Hirn herab! |
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Freitag, 22. April 2016 |
Aus eher nichtigem Anlass wieder einmal bei IKEA gewesen und dabei zurückgedacht, als ich das letzte Mal mit der Freundin/Partnerin/Lebensgefährtin dort war um die Wohnung auszustatten: Matratzen kaufen zum Beispiel fürs neu gebaute schöne, breite Bett, etwas fürs Bad und ein bisschen Ivar. Gemeinsames eben. IKEA hat sich unentbehrlich gemacht, wenn die Einrichtung erneuert oder ergänzt werden soll. Die Freundin/Partnerin/Lebensgefährtin ist nicht mehr Freundin/Partnerin/Lebensgefährtin, aber das IKEA-Gefühl ist noch sehr lebendig. Man könnte sagen: Beziehungen manifestieren sich (unter anderem) in gemeinsamen IKEA-Besuchen – erst wenn diese stattgefunden haben, ist die Freundschaft/Beziehung/Ehe besiegelt. Nie mehr einen gemeinsamen IKEA-Besuch zu erleben – auch das ist ein Zeichen des endgültigen Altseins. |
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Montag, 18. April 2016 |
Erste Sätze (12) Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern (Walden: or, Life in the Woods, 1854) Als ich die folgenden Seiten, oder jedenfalls den größten Teil davon schrieb, wohnte ich eine Meile weit von meinem nächsten Nachbar entfernt, in einem Haus, das ich mir selbst am Ufer des Waldenteiches in Concord, Massachusetts, gebaut hatte, allein im Walde und verdiente meinen Lebensunterhalt einzig mit meiner Hände Arbeit. |
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Samstag, 16. April 2016 |
Auf ein wunderschönes poetisches Projekt gestoßen:52 einen nicht endenden Haiku, ein bisher über dreißigtausend Zeilen umfassendes Gedicht in der klassischen japanischen Haiku-Form: fünf Silben – sieben Silben – fünf Silben ... und unendlich so fort. Ausschnitt aus den letzten Versen: ... |
52 Das Goetheanum, 2016/14-15, S. 14 f. 53 www.franzdodel.ch |
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In meiner Wohn- und Lebensgemeinschaft lebt seit über einem halben Jahr ein Mann, der mit seinem siebenjährigen Sohn aus Syrien vor dem Krieg geflohen ist. Sein Name ist A. Seine Ehefrau und zwei weitere Kinder befinden sich im Libanon. Der Asylantrag unseres Mitbewohners ist nach unendlichen bürokratischen Hürden und mit großem Engagement seitens vieler Helfer inzwischen positiv beschieden. Extrem belastend ist aber nach wie vor – insbesondere für den Jungen – die Trennung von der Mutter und den Geschwistern (bzw. der Ehefrau und den beiden anderen Kindern). Als anerkannter Flüchtling hat A. Anspruch auf Familiennachzug. Dazu muss die Familie in der deutschen Botschaft in Beirut einen entsprechenden Antrag stellen. Hierfür wiederum ist ein Termin in der Botschaft nötig. Als A. erfuhr, dass man seiner Frau vor Juli 2017 keinen Termin geben könne, brach für ihn (und vor allem für den kleinen Sohn) eine Welt zusammen. Im Libanon hat sich aufgrund dieser Situation inzwischen ein Schwarzmarkt mit diesen Botschaftsterminen entwickelt, über den die Huffington Post bereits am 4. August vergangenen Jahres berichtete. Dort ist noch von Preisen zwischen 100 und 400 €, in Ausnahmefällen bis zu 900 € für einen Termin die Rede. Diese Preise sind inzwischen längst überholt, man hört von Beträgen um die 3000 Euro. Die Termine werden über ein automatisiertes Online-Vergabesystem zugeteilt. Wie die Huffington Post schreibt, hacken sich Terminanbieter vermutlich kurz nach Mitternacht in das System ein und belegen per Software automatisch freie Termine, die sie anschließend verkaufen. Selbstverständlich weist die deutsche Botschaft auf ihrer Website darauf hin, dass Termine nicht mit Kosten verbunden sind, sie warnt sogar Antragsteller, sich mit derartigen Terminhändlern einzulassen, aber die Not der getrennten Familien lässt sich mit Vertröstungen auf einen Termin irgendwann in der fernen Zukunft nicht lindern. Und man befindet sich im Orient, wo praktisch alles gegen ein entsprechendes Bakschisch zu haben ist. Dass sich die bedrängten Familien durch weitere Verschuldung nur noch tiefer ins Elend stürzen, liegt auf der Hand. A.'s Familie überlegt inzwischen, ob es nicht sinnvoll wäre, dass die Ehefrau mit den beiden Kindern in den Sudan oder nach Indonesien reist, um dort in der deutschen Botschaft einen Antrag stellen zu können. Man muss sich das einmal plastisch vorstellen. Diese Praktiken sind offenbar nicht neu. Ein weiterer Artikel der Huffington Post vom 7.7.2015 weist auf Berichterstattungen in der Welt am Sonntag vom 6.4.2014 bzw. der Welt vom 7.4.2014 hin, die damals zu einer Unterrichtung des Außenministers geführt haben. Es wäre interessant nachzuforschen, inwieweit die Beteuerungen der Beiruter Botschaft, ihre Mitarbeiter hätten mit diesem Handel nichts zu tun, glaubwürdig sind. Herauszufinden, was Botschaftsangehörige oder Personen, die mit der Botschaft in Beirut in Verbindung stehen, dort alles so treiben, wäre ein heißes Thema für investigativen Journalismus. |
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Freitag, 15. April 2016 |
Gerade wird sich viel aufgeregt, seltsamerweise hauptsächlich von links, weil die Bundeskanzlerin die deutsche Justiz ermächtigt zu entscheiden, ob sie aufgrund von Erdoğans Anzeige den Paragraphen 103 StGB anwenden will (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten). Der Paragraph kann nur angewendet werden, wenn "ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt".51 Strafverfolgung ist Sache der Justiz, somit kann es nicht falsch sein, diese Angelegenheit in ihre Hände zu legen. Hätte die Regierung (in diesem Fall in Person der Bundeskanzlerin) die Ermächtigung nicht erteilt, könnte die Justiz nicht tätig werden. Die deutsche rechtsstaatliche Verfassung sieht die Teilung der Gewalt vor: Legislative (Politik), Judikative (Gerichte), Exekutive (Polizei). Die Nicht-Erteilung der Ermächtigung könnte durchaus als Übergriffigigkeit der Politik in die Belange der Justiz gedeutet werden. Jetzt ist der Weg für die Justiz frei, aus freien Stücken KEIN Strafverfahren zu eröffnen. |
51 § 103 StGB | |||
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André Heller (mit dem ich sonst wenig am Hut habe) sagt in einem Interview im Süddeutsche Zeitung Magazin Stil Leben (mit dem ich sonst ebenfalls wenig am Hut habe): Aus sich einen gelungenen Menschen zu machen, ist eine Arbeit, die erst mit dem letzten Atemzug aufhört. Es ist ein Verbrechen an sich selbst, sich mit siebzig, achtzig Jahren keine großen Veränderungen mehr zuzutrauen. Chapeau. Vielleicht sollte man öfter mal den Hut wechseln. |
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Eine Fülle von Informationen, die eigentlich geheim bleiben sollten, wurden, wie man liest, durch die äußerst verdienstvolle Veröffentlichung der Panama Papers geleakt. Wenn schon Zeitungen wie die SZ solche Wörter gebrauchen – wer, bitte, soll sich dann noch um die deutsche Sprache kümmern? Nichts gegen Neologismen, Anglizismen und sonstige Erweiterungen und Bereicherungen des Deutschen. Aber: geleakt? Geht's noch? | |||||
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Samstag, 9. April 2016 |
Vor etwa zehn Jahren habe ich aufgehört, regelmäßig Tageszeitung zu lesen. Nicht, weil mich die Qualität meines gewohnten Blattes, der Süddeutschen Zeitung, enttäuscht hätte, sondern eher im Gegenteil: ich konnte und wollte die Fülle der mich interessierenden Informationen nicht mehr in angemessener Zeit verarbeiten. Meine Lebenszeit fing an bedrohlich zu schrumpfen. Der erste Schritt war die Einschränkung auf die Freitag- und Wochenendausgaben. Beim Nachsenden über den Winter nach Frankreich waren die zuständigen Stellen mit dieser Teil-Lieferung offenbar überfordert, und ich bekam die SZ täglich – mit schwankenden Verspätungen, die zwischen zwei und vierzehn Tagen lagen. Keine Chance, das irgendwie geregelt zu bekommen. Seither gibt es kein SZ-Abonnement mehr. Ich kaufe die Zeitung gelegentlich, wenn ich unterwegs bin, vor allem, wenn ich aushäusig übernachten muss. In dieser Woche hat nun die Mittwochausgabe den Weg auf meinen Küchentisch gefunden, da liegt sie bis heute, inzwischen sind die wichtigsten Artikel gelesen. Und, ich muss sagen: vier Tage an eine einzige Ausgabe hinzulesen, ist nicht übertrieben. Allein, was über die Panama Papers drinsteht, ist vertiefter Beschäftigung wert: die UEFA hat Geschäfte mit angeklagten Rechtehändlern gemacht, Assad hat sich Benzin und Waffen für seinen Krieg über Briefkastenfirmen besorgt, saudi-arabische Geschäftsleute haben – vermutlich! man muss ja vorsichtig formulieren – Al-Kaida finanziert und so weiter. Dazu im Wirtschaftsteil ein Bericht über die Deutsche Umwelthilfe, die den Daimler-Konzern verklagt. Abgase produzieren ja nicht nur VW-Fahrzeuge. Und das ist nur ein kleiner Teil der spannenden Lektüre dieser Mittwochs-SZ. Was machen wir mit all diesen Informationen? Ich persönlich freue mich über sie. Wie schon einmal hier ausgesprochen, ist es in gewisser Weise befreiend, wie einem Mitglieder der "besseren" Gesellschaftsschichten als die wahren Schwerstkriminellen vorgeführt werden. Dreckspack. Wir haben immer noch ein völlig falsches Bild von Gaunern (rechts). |
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Josef (19) – Fortsetzungsgeschichte, 19. Teil ( zur Einleitung) ( zum 18. Teil) Immerhin käme Gott in meinem Projekt vor, habe ich zuletzt geschrieben. Ich sollte besser sagen: so etwas Ähnliches. Aber ich habe nicht vor, von mir zu reden und meinen misslichen Versuchen, die Welt und ihren Ursprung zu erklären. Wenn überhaupt, wird das zu anderer Zeit und an anderer Stelle stattfinden. Hier geht es um Josef. Fortsetzung folgt |
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